Warum anzeigen

Anzeigen – Ja oder Nein?

Trotz aller verständlicher Angst vor den möglichen Folgen und eventuellen Unannehmlichkeiten im Zusammenhang mit dem Schritt, bei der Polizei Anzeige zu erstatten, geben wir Betroffenen rechtsextremer Gewalttaten folgendes zu bedenken:

Nach einem Angriff sollten Sie sich überlegen, ob Sie den Vorfall bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft anzeigen wollen. Hat die Polizei bereits von dem Vorfall erfahren, wird sie unter Umständen schon von sich aus ermitteln und hat Sie eventuell auch schon dazu befragt oder Ihnen eine sogenannte Ladung zur Zeugenaussage geschickt. Bei einigen Straftaten wie zum Beispiel gefährlicher Körperverletzung muss die Polizei ohnehin gegen die Täter_innen ermitteln – auch wenn Sie keine Anzeige erstatten wollen. Wenn die Polizei aber noch nicht eingeschaltet ist, dann können Sie mit einer Anzeige und gegebenenfalls einem Strafantrag den Anstoß für Ermittlungen gegen die Rechten bzw. die rassistischen Täter_innen geben. Eine Anzeige gegen die Täter_innen zu stellen ist eine Möglichkeit, Rechten und Rassist_innen zu zeigen, dass sie nicht weiter unbehelligt mit Gewalt gegen andere vorgehen können. Eine Anzeige kann dazu führen, dass die Tat für die Täter_innen nicht folgenlos bleibt. Eine Anzeige ermöglicht zudem, dass der Angriff Eingang in polizeiliche Statistiken findet. Aber auch für Öffentlichkeitsarbeit und politische Aktionen ist jede angezeigte Gewalttat ein stichhaltiges Argument.

Sie zögern vielleicht mit einer Anzeige, weil Sie die Rache der Täter_innen fürchten? Es ist richtig, dass die angezeigte Person in der Regel erfährt, wer sie angezeigt hat – dies ist eine unangenehme Folge. In vielen Fällen hat das Stellen einer Anzeige jedoch eher eine abschreckende Wirkung auf den oder die Täter_in. Durch die Anzeige können Sie deutlich machen, dass Sie sich nicht einschüchtern lassen. Das kann Ihnen Schutz verschaffen. Denn den meisten Beschuldigten ist klar, dass jeder weitere Einschüchterungsversuch sich negativ auf das laufende Strafverfahren auswirken würde. Sie leben als Asylsuchende bzw. Asylsuchender in Deutschland und zögern vielleicht mit einer Anzeige, weil Sie negative Folgen für Ihr Asylverfahren befürchten? Sie leben hier mit einer Duldung und befürchten, dass eine Anzeige Ihre Ausreise beschleunigen könnte? Sie haben einen Antrag auf Einbürgerung gestellt und befürchten, dass jeglicher Kontakt mit der Justiz Ihre Chancen beeinträchtigt? Grundsätzlich hat eine Anzeige weder eine negative noch eine positive Auswirkung auf Ihren Asylantrag oder Ihren Aufenthaltsstatus. Sie haben als Geschädigte bzw. Geschädigter in einem Strafverfahren die gleichen Rechte wie deutsche Staatsbürger_innen. Sollten Sie in dem Verfahren auch als Beschuldigte bzw. Beschuldigter gelten, sollten Sie unbedingt Kontakt zu einem Anwalt bzw. einer Anwältin und/oder einer Opferberatungsstelle aufnehmen – wenn möglich, bevor Sie eine detaillierte Aussage bei der Polizei machen.

Wenn Sie keine Anzeige erstatten möchten, ist das Ihr gutes Recht. Sie müssen auch nicht mit Polizist_innen über den Angriff reden. Sie sind weder dazu verpflichtet, Anzeige zu erstatten noch müssen Sie bei der Polizei aussagen. Wenn Sie allerdings eine Vorladung von der Staatsanwaltschaft oder vom Gericht erhalten, sind Sie in der Regel zur Aussage verpflichtet. Für diesen Fall sollten Sie sich aber im Vorfeld durch eine Opferberatungsstelle und/oder einen Anwalt bzw. eine Anwältin beraten und begleiten lassen.

Sie leben ohne gültigen Aufenthalt in Deutschland und vermeiden daher jeglichen Kontakt zu Polizei, Justiz und anderen Behörden im Allgemeinen? Verzichten Sie nicht auf die Ihnen zustehende und oft dringend benötigte Unterstützung. Nehmen Sie in jedem Fall Kontakt zu einer der im Adressteil aufgeführten Beratungsstellen und/oder einem Anwalt bzw. einer Anwältin auf.

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