Anlaufstelle Süd (Halle), 21.04.2008

Verfahren leidet unter massiven Ermittlungsfehlern von Polizei und Staatsanwaltschaft

In dem Prozess gegen drei Rechte aus Halberstadt, denen u. a. der Angriff auf eine 19jährige nicht-rechte Frau am 21.Dezember 2007 in Haberstadt zur Last gelegt wird, soll am Donnerstag, den 24. April um 15 Uhr am Amtsgericht Halberstadt das Urteil verkündet werden. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten im Alter von 25 und 28 Jahren sowie einer 22-Jährigen u.a. gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung vor. In ihren Plädoyers am 16. April 2008 hatte die Staatsanwaltschaft für die drei Beschuldigten Freiheitsstrafen von einem Jahr und acht Monaten bis zu drei Jahren und sieben Monate ohne Bewährung gefordert.

Nach drei Hauptverhandlungstagen mit insgesamt neun Zeugen sah die Staatsanwaltschaft die Schuld der Angeklagten in allen Punkten als erwiesen an. In der Nacht vom 21. zum 22. Dezember 2007 kurz vor Mitternacht trafen David S., Antje W. und Patrick P. in einer Parkanlage in Halberstadt zufällig auf die damals 19jährige Betroffene. Sie wurde von Antje W. auf den Rasen geschubst und gefragt, ob sie “links” sei, wobei die Antwort keine Rolle mehr spielte. Die Angeklagte schlug die Betroffene mehrfach mit der Faust ins Gesicht und kündigte dann an, sie zum Bordstein zu ziehen, was bei der 19-Jährigen in Assoziation mit einer bekannten Szene aus dem Film “American History X” Todesängste auslöste. Antje W. nötigte sie zudem in menschenverachtender Weise, zu sagen, dass sie heute sterben werde. Die Angeklagte ließ erst los, als die beiden Männer sich weigerten “da” mitzumachen. Doch kurz darauf setzte sie sich auf die Betroffene und versetzte ihr wieder mehrere Faustschläge ins Gesicht, während David S. den Kopf festhielt und Patrick P. die 19Jährige sexuell belästigte. Als sich die Betroffene dagegen zu wehren versuchte, traten die drei Angreifer auf sie ein.

Die Betroffene erlitt durch die Schläge und Tritte gegen den Kopf u.a. einen Augenhöhlenbruch, der operativ behandelt werden musste und eine mit hoher Wahrscheinlichkeit bleibende Taubheit der linken Gesichtshälfte. Die Gutachterin vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Magdeburg stufte die Verletzungen der Betroffenen als “potenziell lebensgefährlich” ein. Über den von der Nebenklage gestellten Schmerzensgeldantrag wurde noch nicht entschieden.

Während Staatsanwältin Vogel von der Staatsanwaltschaft Halberstadt von einem “Motivbündel” der Angreifer sprach und gemeinsam mit der Verteidigung behauptete, die Gewalt der Angreifer hätte “jeden treffen können”, gehen Nebenklage und Betroffene von einem politisch rechts motivierten Angriff aus: Schon die Eingangsfrage der Angreifer an die Betroffene “Bist du links?” macht deutlich, dass das Motiv der Angreifer die vermeintliche Zugehörigkeit ihres Opfers zur alternativen Jugendszene darstellt.

Die Zugehörigkeit der Angeklagten zur rechten Szene und ihre Äußerungen kurz nach der Tat bestätigen diese Einschätzung. Thema wurden diese jedoch erst kurz vor Ende der Beweisaufnahme. Ein Staatsschutzbeamter des Polizeireviers Halberstadt sagte aus, dass noch ein Ermittlungsverfahren gegen Antje W. wegen Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen anhängig ist. Sie soll nach der Tat aus dem Funkwagen heraus rechtsextreme Parolen gerufen haben und bei Ankunft im Revier Patrick P. mit “Sei gegrüßt Kamerad” und “Heil Hitler” begrüßt haben. Der Vorsitzende Richter Selig sah jedoch keinen Zusammenhang und wollte es auch auf Hinweis der Nebenklage, dass das Nachtatverhalten wesentlich für die Frage der Tatmotivation ist, nicht erörtern. Eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung dazu: “Das Verfahren abzutrennen ist unverständlich, darüber keinen Vermerk anzulegen unglaublich und dass Richter Selig eine Auseinandersetzung damit verweigert leider bezeichnend”.

Der Prozess vor dem Schöffengericht war von Beginn an geprägt von langen Unterbrechungen und polizeilichen Ermittlungsfehlern, die die Beweisaufnahme erschwerten oder unmöglich machten. Hinzu kam der Termindruck von Seiten des Gerichtes, so dass jeder weitere Antrag der Nebenklage den gesamten Prozess hätte gefährden können. So ist die Betroffene letztendlich vor allem erleichtert, dass die an ihr begangene Gewalttat aufgeklärt wurde und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht unbestraft bleibt. Aber zufrieden über die Art und Weise der Ermittlungen und den Prozessverlauf ist sie überhaupt nicht. “Die Polizei hat entgegen aller Beteuerungen auf Seiten der Führungsebene nicht dazugelernt”, so eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung. Und weiter: “Der Wille alleine reicht nicht, es muss auch korrekt und unter Einhaltung rechtstaatlicher Standards ermittelt werden.”