Anlaufstelle Süd (Halle), 16.06.2010

Mobile Opferberatung kritisiert lange Verfahrensdauer

Am Donnerstag, den 17. Mai 2010, beginnt am Amtsgericht Naumburg ab 9:00 Uhr der Prozess gegen vier Männer aus Sachsen wegen gefährlicher Körperverletzung. Die Staatsanwaltschaft Halle wirft den heute 29-jährigen sowie einem 43-jährigen Angeklagten vor, vor mehr als zwei Jahren einen kurdischen Jugendlichen beleidigt, zu Boden geschlagen und mit Tritten und Schlägen misshandelt zu haben. Einer der 29-Jährigen soll dabei auch mit einer Bierflasche auf den Betroffenen eingeschlagen haben.

Unverständnis über mangelnde Zivilcourage

Am späten Abend des 23. Mai 2008 wurde der damals 18-jährige syrische Kurde auf dem Nachhauseweg aus einem Auto heraus als “Scheiß Ausländer” beleidigt. Mehrere Männer steigen aus und beschimpfen ihn weiter. Kurz darauf wird der Jugendliche von einem der Unbekannten mit einer Bierflasche attackiert. Dann rennt die Gruppe unvermittelt auf ihn zu und verfolgt den Betroffenen bis auf den Naumburger Marktplatz. Dort wird der 18-Jährige zu Boden geschlagen und von ca. sechs bis acht Männern massiv mit Tritten und Schlägen attackiert. Dabei drohen die Angreifer, ihn “fertig zu machen”. Er solle “in sein Land zurückgehen”.

Obwohl am Taxistand zwei Taxen stehen und noch viele Gäste in einem Biergarten in unmittelbarer Nähe sitzen, greift für den Betroffenen wahrnehmbar niemand ein. Später wird durch eine Zeugin bekannt, dass nur ein Gast hingegangen und zu intervenieren versuchte. Der 18-Jährige – nunmehr in Todesangst – kann sich schließlich befreien. Er rennt, verfolgt von mehreren Angreifern, durch ein Eiscafé in eine Seitenstraße. Dort wird er von den Unbekannten erneut attackiert. Zufällig bemerkt ein Bekannter des Betroffenen den Angriff und bringt den Jugendlichen in seinem Auto in Sicherheit. Der 18-Jährige muss u.a. mit einer Schädelprellung, Hämatomen und Hautabschürfungen stationär im Krankenhaus behandelt werden. Die Polizei kann noch vor Ort fünf Tatverdächtige feststellen.

“Wegschauen von ZeugInnen wird von Betroffenen rassistischer Gewalt und ihrem sozialem Umfeld oftmals als stillschweigende Zustimmung verstanden”, erklärt eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung. “Das ein so massiver Angriff vor den Augen etlicher ZuschauerInnen möglich ist, kann der Betroffene bis heute nicht nachvollziehen”, so die Sprecherin weiter.

Prozessbeginn erst mehr als zwei Jahre nach der Tat

Völlig unverständlich ist für den heute 20-jährigen Betroffenen auch die lange Zeitspanne zwischen Angriff bis Beginn des Prozesses. Erst neun Monate nach dem Angriff, im Februar 2009, erhob die Staatsanwaltschaft Halle Anklage gegen vier Beschuldigte. Das Verfahren gegen einen weiteren Beschuldigten wurde eingestellt, er soll nun beim Prozess lediglich als Zeuge aussagen. Dann dauerte es mehr als ein Jahr bis Termine zur Hauptverhandlung für Juni 2010 vom Gericht bestimmt wurden.

“Die lange Verfahrensdauer von über zwei Jahren hat bisher bei den Betroffenen und seinen Angehörigen den bitteren Eindruck hinterlassen, dass auch schwere rassistische Gewalt von der Justiz nicht ernst genommen und konsequent verfolgt wird”, kritisiert eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung.

Für den ersten Prozesstag sind sechs Zeugen geladen, darunter auch der vor Gericht als Nebenkläger auftretende Betroffene. Ein weiterer Verhandlungstermin ist für den 24. Juni 2010 ab 12:30 Uhr anberaumt.