Anlaufstelle Mitte (Magdeburg), 09.01.2008

Im Prozess am Landgericht Magdeburg gegen vier Neonazis wegen eines Angriffs auf eine achtköpfige Theaterergruppe im Juni 2007 in Halberstadt wurde heute offensichtlich, dass allen Prozessbeteiligten bislang wesentliche polizeiliche Ermittlungsergebnisse vorenthalten worden sind. Erst am 20. Dezember 2007 erhielt die Staatsanwaltschaft – nach mehrmaligen Anträgen durch Nebenklägervertreter und Verteidiger im Prozess – vom damals zuständigen Leiter des Staatsschutzes beim Polizeirevier Halberstadt einen Aktenordner mit bislang unbekannten Ermittlungsergebnissen. Der Aktenordner enthält u.a. Zeugenaussagen, Lichtbildvorlagen und Auswertungen von Tatortspuren wie Blut und Speichel. Der Ordner wurde dann erst am 7. Januar 2008 dem Gericht übergeben. Der Vorsitzende Richter gab den Inhalt des Ordners am heutigen Prozesstag den Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis.

“Es ist eine Verhöhnung der Opfer des Neonaziangriffs und der Justiz, wenn die Polizei nicht nur unmittelbar nach der Tat, sondern auch noch im laufenden Prozess offensichtlich eine vollständige Aufklärung der Tatumstände unmöglich macht – indem sie dem Gericht wesentliche Ermittlungsergebnisse nicht zur Verfügung stellt,” so Rechtsanwältin Frauke Steuber für die NebenklägerInnen. “Das Verfahren ist von Anfang an von polizeilichen Schlampereien begleitet gewesen. Wir können uns noch nicht einmal sicher sein, ob uns jetzt alle Akten zur Verfügung stehen. Mit diesem Verhalten verhindert die Polizei eine juristische Aufarbeitung des Neonaziangriffs.”

Schon unmittelbar nach dem Neonaziangriff auf das Theaterensemble war eine interne Untersuchung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Polizei nach dem Angriff auf allen Ebenen versagt hatte. Ab dem 16. Januar 2008 sollen nun in dem Prozess die beteiligten Polizeibeamten als Zeugen gehört werden. “Das Polizeiverhalten hat eine fatale Signalwirkung für rechte Schläger: Dass sie möglicherweise ungestraft davon kommen, weil sie mit schlampigen Ermittlungen rechnen können,” sagt eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung.

Der Prozess am Landgericht Magdeburg wurde heute bis um 11:30Uhr ausgesetzt. Danach wird mit einer Entscheidung gerechnet, wie das Verfahren nunmehr fortgesetzt werden kann.