Anlaufstelle Süd (Halle), 09.07.2004
Mit zwei Freisprüchen und einer Bewährungsstrafe endete am 9. Juli vor dem Amtsgericht Dessau der Prozess gegen drei Neonazis , denen die Anklage vorgeworfen hatte, im Februar 2004 an einem brutalen Angriff gegen nicht-rechte Jugendliche im Hauptbahnhof Dessau beteiligt gewesen zu sein. Dennis D., ehemaliger NPD-Kreisvorsitzender in Bitterfeld, wurde als Rädelsführer zu zwei Jahren Haft auf drei Jahre Bewährung verurteilt.
Am 1. Februar 2004, gegen 3 Uhr nachts, war eine Gruppe von neun alternativen Jugendlichen von ca. 10 bis 15 Rechtsextremisten in der Vorhalle des Dessauer Hauptbahnhofs brutal angegriffen worden. Die Betroffenen warteten dort nach einem Konzertbesuch auf ihre Angehörigen, als plötzlich eine Gruppe Vermummter mit Baseballschlägern, Eisenstangen und Hockeyschläger bewaffnet auf die 13- bis 17-jährigen Jugendlichen losstürmte. In Folge der Schläge und Tritte mussten vier Betroffene mit Kopfverletzungen im Krankenhaus behandelt werden.
Am ersten Verhandlungstag hatte der 25-jährige Angeklagte Denis D. eingeräumt, drei Tritte gegen eine Person ausgeführt zu haben. Allerdings hätten diese Tritte mit der zeitgleich stattfindenden “Rangelei” nichts zu tun gehabt. Der 18-jährige Alexander W. hatte die Aussage verweigert. Der ebenfalls 18-jährige Stefan K. sagte aus, er sei am Abend bei einer Party gewesen und dort bis zum darauffolgenden Morgen geblieben. Der Hauptbelastungszeuge, durch dessen Aussagen bei Polizei und Ermittlungsrichter die zwei Heranwachsenden als Mittäter identifiziert werden konnten, wiederrief vor Gericht seine diesbezüglichen Angaben. Während seiner Aussage wurde die Öffentlichkeit wegen der Gefahr einer erheblichen Gefährdung für seine Gesundheit ausgeschlossen. Der Hintergrund: Der Zeuge berichtete, er sei wenige Tage zuvor von Personen aus dem rechten Szene bedroht worden.
Alle drei Angeklagten sind der rechtsextremen Szene zuzuordnen. So war Denis D. Vorsitzender im mittlerweile aufgelösten NPD-Kreisverband Bitterfeld. Alexander W. und Stefan K. sind in der Vergangenheit im Umfeld der Freien Nationalisten Dessau/Anhalt u.a. durch Teilnahme an neonazistischen Demonstrationen aufgefallen.
Wenige Minuten vor dem brutalen Angriff im Dessauer Hauptbahnhof waren am UCI-Kinokomplex mehrere alternative Jugendliche von derselben Gruppe, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits teilweise vermummt hatte, angegriffen worden. Die Rechtsextremisten beleidigten und stießen ihre Opfer herum und schlugen einem jungen Mann mit einem Baseballschläger in den Unterleib. Nach Augenzeugenbericht hielt ein vorbeifahrendes Polizeiauto nicht an. Zu diesem Vorfall wird morgen eine weitere Zeugin gehört werden. Die Polizei hat es trotz Kenntnis von diesem Vorfall bis dato versäumt, dazu Ermittlungen durchzuführen.
Die Mobile Opferberatung geht davon aus, dass dadurch u.a. eine Möglichkeit vergeben wurde, weitere Tatbeteiligte bei dem Angriff in der Bahnhofsvorhalle zu ermitteln. Außerdem wird den Tätern signalisiert, dass sie trotz Kenntnis der Ermittlungsbehörden ungestraft Gewalt gegen ihnen missliebige Personen ausüben können” sagt Zissi Sauermann von der Mobilen Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt.