Anlaufstelle Süd (Halle), 30.06.2015

Mobile Opferberatung kritisiert Ausblendung des rechten Tatmotivs – Do., 02.07.15 ab 13:30 Uhr sowie Mi., 08.07.15 9:30 Uhr, Amtsgericht Halle, Saal 2.020

Nach knapp zwei Jahren beginnt am Donnerstag, den 2. Juli 2015 um 13:30 Uhr am Amtsgericht Halle (Jugendrichter) der Prozess wegen des Angriffs auf zwei Fans des VfL Halle 96. Den beiden 19- und 21-jährigen Angeklagten wirft die Staatsanwaltschaft Halle lediglich einfache Körperverletzung vor, obwohl die Ermittlungen wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung geführt wurden. Der bereits zweimal anberaumte Prozessbeginn wurde das erste Mal im September 2014 ausgesetzt, da dem zur Tatzeit jugendlichen Angeklagten noch ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden sollte. Im Oktober 2015 entschied das Amtsgericht nach Beschwerde der Verteidigung dann, den zunächst beigeordneten Nebenklagevertreter nicht mehr zuzulassen. Auch der Antrag auf Nebenklage für einen weiteren Betroffenen wurde vom Amtsgericht abgelehnt. Das Landgericht Halle gab der Beschwerde des Nebenklägers jedoch statt wodurch jetzt im dritten Anlauf zumindestens einer der Betroffenen seine Rechte als Nebenkläger in Anspruch nehmen kann.

Zum Hintergrund

Am 15. September 2013 wird nach einem Fußballspiel des VFL Halle 96 und der zweiten Mannschaft des Halleschen FC eine Gruppe von vier VFL-Fans gegen 16 Uhr in der Nähe des Stadions von einem HFC-Fan mehrfach u.a. als “Scheiß Zecken” beleidigt und bedroht. Die Betroffenen versuchen die zahlreichen Beschimpfungen zu ignorieren und gehen weiter. Kurz darauf werden die VFL-Fans von dem Rechten und weiteren Personen, die mittlerweile auf eine etwa zwanzigköpfige Gruppe angewachsen sind, eingeholt und unter Rufen wie “Drecksjuden” angegriffen. Ein 24-Jähriger erhält Schläge gegen Kopf und Gesicht. Einem 18-jährigen Schüler wird derart ins Gesicht geschlagen, dass er sofort stark aus Nase und Mund blutet. Zeug_innen versuchen die in der Nähe befindliche Polizei zu alarmieren, die jedoch nur zögerlich reagiert und erst eintrifft als der Angriff beendet ist. Die Verletzten können durch die schnelle Hilfe eines Autofahrers fliehen und ins Krankenhaus gebracht werden. Der 18-Jährige erleidet u.a. einen Nasenbeinbruch und muss stationär behandelt werden.

Unzureichende Anklage

Der polizeiliche Staatsschutz ermittelt in der Folge wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung. Die Staatsanwaltschaft Halle erhebt schließlich im Dezember 2013 Anklage gegen einen zur Tatzeit 17-jährigen Jugendlichen und einen 19-jährigen Heranwachsenden. Es wird ihnen jedoch lediglich einfache Körperverletzung zur Last gelegt. Das gemeinschaftliche Handeln der Angreifer aus der Gruppe der HFC-Fans heraus, die den Betroffenen gezielt folgten, wird damit bagatellisiert. Auch die politische Motivation des Angriffs bleibt unerwähnt. Die massiven rechten und antisemitischen Beleidigungen wurden von der Staatsanwaltschaft im Vorfeld des Prozesses aufgrund von sogenannter Geringfügigkeit eingestellt. “Hier zeigt sich, dass politisch rechts motivierte Angriffe von der Justiz immer noch nicht in jedem Fall als solche benannt und ernst genommen werden” erklärt eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung. “Die Betroffenen erwarten jetzt von dem Prozess, dass auch der Tathintergrund thematisiert und anerkannt wird”, so die Sprecherin weiter.