Anlaufstelle Mitte (Magdeburg), 22.06.2005
Vor dem Landgericht Magdeburg beginnt am Freitag, den 24. Juni ab 9:30 Uhr im Saal 5 der Berufungsprozess gegen sechs Neonazis aus Schönebeck. Sie hatten am 9. Februar 2003 vier nicht-rechte und alternative Jugendliche vor dem Polizeirevier in Schönebeck angegriffen und schwer verletzt.
Das Amtsgericht Schönebeck hatte fünf Neonazis im Mai vergangenen Jahres u.a. wegen gefährlicher Körperverletzung zu milden Jugendstrafen zwischen 18 und 16 Monaten auf Bewährung verurteilt und lediglich einen 29jährigen Angeklagten unter Einbeziehung anderer Gewaltdelikte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt.
Gegen das Urteil hatten die Nebenklagevertreterinnen von drei Betroffenen Berufung eingelegt. Die Nebenklagevetreterinnen hatten schon im ersten Prozess beim Amtsgericht Schönebeck gerügt, dass der Angriff lediglich als gefährliche Körperverletzung und nicht als versuchtes Tötungsdelikt angeklagt worden war. Die Angeklagten im Alter von 20 bis 29 Jahren gehören zu einer Gruppe von rund 15 Neonazis, die in der Nacht vom 8. Februar 2003 gegen 2 Uhr nachts die vier nicht-rechten und alternativen Jugendlichen ohne jegliche Vorwarnung und vorherige Auseinandersetzung hinterrücks vor dem Polizeirevier angriffen.
Die polizeibekannten Täter riefen u.a. „Scheiß Sharpskin“, dann schlugen sie die zwei jungen Männer und zwei jungen Frauen im Alter zwischen 18 und 21 Jahren zu Boden und traten wiederholt auf ihre Köpfe ein. Ein 21jähriger junger Mann wurde von zwei Angreifern zum „Bordsteinkick“ über die Straße geschleift. Erst als Polizeibeamte eingriffen, flüchteten die Angreifer vom Ort des Geschehens. Wenig später stellten die Beamten die Personalien von einer bislang unbekannten Anzahl mutmaßlicher Tatbeteiligter sicher. Die vier Opfer mussten mit zum Teil schweren Kopfverletzungen stationär behandelt werden und erlitten teilweise bleibende physische Beeinträchtigungen.
„Aufgrund von schlampigen Ermittlungsarbeiten der Polizei, wurden lediglich sechs der Tatbeteiligten angeklagt,“ kritisiert Heike Kleffner. „Zudem bleibt völlig unverständlich, warum gezielte Tritte gegen Köpfe von der Staatsanwaltschaft nicht als das angeklagt werden, was sie sind – ein versuchtes Tötungsdelikt.“ Für die Betroffenen des Angriffs bleibe ein Gefühl der Verunsicherung. „Schließlich ist ein Teil der Angreifer von jeglicher Strafverfolgung unbehelligt geblieben und ein anderer Teil bislang mit milden Strafen davon gekommen.“ Die Mobile Opferberatung hofft, dass das Landgericht Magdeburg die Umstände des Angriffs nun aus ermittelt und angemessen würdigt.
Bei einigen Angeklagten handelt es sich um Aktivisten der militanten Kameradschaft Schönebeck, die sich beispielsweise an einer rechtsextremen Mahnwache gegen den Irakkrieg im März 2003 in Schönebeck beteiligten. Der Angeklagte Mike G. wird aus der Strafhaft vorgeführt. Er hatte am 18. August 2003 gemeinsam mit weiteren Neonazis drei Jugendliche vor einem Wohnblock in Schönebeck bei einem Angriff erheblich verletzt, um „für Ordnung“ zu sorgen.
Am Vormittag des Tattages hatte in Magdeburg eine Demonstration von linken Jugendlichen zum Gedenken an den im Februar 1997 von einem neonazistischen Skinhead erstochenen Frank Böttcher stattgefunden. Dagegen hatten rund einhundert Neonazis aus Magdeburg und Umgebung sowie aus Leipzig eine Gegendemonstration durchgeführt.