Anlaufstelle Mitte (Magdeburg), 27.05.2011
Beginn: Montag, den 30. Mai 2011, 9 Uhr, Amtsgericht Magdeburg, Breiter Weg 203 – 206, 39104 Magdeburg, Saal 2
Am Montag, den 30. Mai 2011 beginnt um 9:00 Uhr vor der Jugendrichterin am Amtsgericht Magdeburg der Prozess gegen zwei Rechte im Alter von 19 und 47 Jahren. Die Staatsanwaltschaft Magdeburg wirft den beiden u.a. wegen Körperverletzung vorbestraften Angeklagten vor, Mitte Dezember vergangenen Jahres in Magdeburg gemeinschaftlich mit zwei inzwischen in dieser Sache Verurteilten einen ecuadorianischen Studenten verletzt zu haben. Weitere Körperverletzungen gegen seine zwei Begleiterinnen und ein Diebstahl der Tasche einer Betroffenen wurden im Vorfeld des Prozesses wegen Geringfügigkeit eingestellt.
Ursprünglich sollte der Prozess gegen die nun vor Gericht stehenden Angeklagten bereits am 4. März 2011 beginnen. Der zu dem Zeitpunkt noch 18-Jährige und der 47-Jährige waren jedoch kurz vor Verhandlungsbeginn geflüchtet, so dass der Prozess gegen sie vom Verfahren gegen die anderen beiden Angeklagten abgetrennt worden war. Mitte April waren die Flüchtigen von der Polizei gefasst worden und befinden sich seitdem in Untersuchungshaft.
zum Hintergrund:
Am frühen Morgen des 18. Dezember 2010 warteten drei Studierende aus Ecuador, Mexiko und Deutschland an der Haltestelle “Kastanienstraße” auf den Bus, als sie von einer Gruppe Unbekannter zunächst gemustert wurden. Plötzlich rannten die Männer auf den 24-jährigen Ecuadorianer zu, schlugen ihn zu Boden und traten gegen seinen Kopf, wobei sie ihn mehr-fach rassistisch beschimpften. Bei dem Versuch, ihrem Freund zu helfen, wurden auch die beiden 25- und 29-jährigen Frauen zu Boden gestoßen, getreten und beleidigt. Erst als der 24-Jährige sich nicht mehr bewegte, ließen die Angreifer von dem Studenten ab und ent-rissen der 25-Jährigen im Weggehen ihre Handtasche. Der Ecuadorianer musste u.a. mit Schädel-Hirn-Trauma und Nasenbeinbruch stationär im Krankenhaus behandelt werden. Beide Frauen erlitten Schürfwunden und Prellungen.
Rassismus als Tatmotiv vom Gericht festgestellt
Der Prozess gegen den 23-jährigen, einschlägig vorbestraften Rechten und den 28-jährigen Mann ist inzwischen in erster Instanz abgeschlossen. Sie wurden Anfang Mai der gefährlichen Körperverletzung an dem 24-jährigen Hauptbetroffenen und der Beleidigung an allen drei Studierenden schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren, bzw. anderthalb Jahre auf Bewährung verurteilt. Das rassistische Tatmotiv wurde von der Richterin strafverschärfend gewertet. Es hatte sich im Verlaufe des Prozesses u.a. heraus-gestellt, dass die Angeklagten im Vorfeld des Angriffs rechte Musik gehört und rassistische Parolen gerufen hatten. Gegen das Urteil haben sowohl beide Verteidiger als auch die Nebenklägerin Rechtsmittel eingelegt. Die Körperverletzung an der Deutsch-Ecuadorianerin wurde entgegen der Auffassung der Nebenklage von der Richterin nicht als gemeinschaftlich begangen gewertet.
Bereits zu Beginn des ersten Prozesses hatten Vertreter der beiden Nebenkläger kritisiert, dass die Verhandlung lediglich vor einer Einzelrichterin stattfindet, obwohl der damals noch 18-jährige Angeklagte erst im Oktober letzten Jahres u.a. wegen Körperverletzung zu einer einjährigen Jugendstrafe verurteilt wurde. Wegen der zu erwartenden Strafhöhe hatte die zuständige Jugendrichterin im Vorfeld des Prozesses einen Antrag auf Übernahme der Sache vom höherwertigen Jugendschöffengericht gestellt. Dieser war jedoch abgelehnt worden. Auch die Entscheidung der Abtrennung der Verfahren hatte die Einzelrichterin Anfang März gegen den Einwand der Nebenklage entschieden. Für die Betroffenen, die nun erneut in den Zeugenstand müssen, bedeutet der zweite Prozess eine zusätzliche Belastung.
Das öffentliche Interesse an dem ersten Prozess war von den Betroffenen dagegen positiv aufgenommen worden. “Rassismus ist ein ernst zu nehmendes Problem der gesamten Gesellschaft. Es muss daher thematisiert und bekämpft werden”, so der Hauptbetroffene. Die Betroffenen leiden zum Teil bis heute an den Folgen des Angriffs. Im Verlaufe des ersten Prozesses hatte die Deutsch-Ecuadorianerin etwa berichtet, dass sie aus Angst vor erneuten Angriffen und rassistischen Beleidigungen in der Magdeburger Straßenbahn nicht mehr Spanisch spreche.
Neben dem Hauptbetroffenen tritt trotz der Einstellung auch die 25-jährige Betroffene vor Gericht als Nebenklägerin auf. Weitere Verhandlungstage sind für den 14. Juni, den 5., 7., 8., 12, und 14. Juli jeweils um 9 Uhr anberaumt.